Und noch eine Digitalstrategie

Die Pläne der Bundesregierung klingen ähnlich unpräzise wie die ihrer Vorgänger

Von Stefan Lange

 

Man kann sie nicht mehr zählen, die Digitalstrategien der letzten Regierungen. Die Überschriften waren zwar verschieden, die Inhalte jedoch ähnlich. Sie dokumentieren den Versuch, die rasend schnelle Welt des Internets und seine Auswirkungen auf das Leben nicht nur in den Griff zu bekommen, sondern möglichst proaktiv zu gestalten. Der Fehler war in diesen Strategien gleich mit eingebaut: Die Bürokratie in Deutschland würgt jeden Tempovorstoß zunächst einmal ab. Die Politik hätte die „unglaubliche Geschwindigkeit" der Digitalisierung, wie es Kanzlerin Angela Merkel einmal ausdrückte, selbst bei größtem Bemühen nicht in den Griff bekommen können.

Apropos Merkel. Die CDU-Politikerin bezeichnete das Internet noch als „Neuland", da war es das schon längst nicht mehr. Merkel zog damit ähnlich viel Häme und Spott auf sich wie später ihre Parteifreundin und Bildungsministerin Anja Karliczek, die den Netzausbau mit den Worten einbremste, es sei der 5G-Mobilfunkstandard „nicht an jeder Milchkanne" erforderlich. Zwei Beispiele die nur zeigen, dass die handelnden Personen schlichtweg nicht verinnerlicht haben, worum es bei der Digitalisierung geht.

Die Ampel-Koalition, allen voran Digitalminister Volker Wissing (FDP), will es nun anders machen. Während die Vorgängerregierung, wie Wissings Parteivorsitzender Christian Lindner in Meseberg lästerte, lediglich eine Loseblattsammlung" hinbekommen hat, soll das Thema jetzt ganz konkret" angegangen werden. Heißt: Flächendeckende Versorgung mit Glasfaseranschlüssen, digitale Verwaltungsleistungen für einen modernen und inklusiven Staat sowie Innovationen aus Wirtschaft und Forschung zum Nutzen aller Menschen.

Das allerdings klingt ähnlich unpräzise wie die Digitalstrategien der letzten Jahre. Zumal Wissing zum Datenschutz, der großen Hürde auf dem Weg in die digitale Welt, kein Wort verliert. Das alles macht wenig Hoffnung, dass Deutschland endlich vorankommt und beispielsweise an die baltischen Staaten anschließt, wo elektronische Behörden- oder Wahlgänge schon längst möglich sind.

Wissing selbst scheint der neuen Strategie nicht zu trauen. Er will Deutschland damit lediglich unter die ersten Zehn in Europa bringen, das kommt einer digitalen Bankrotterklärung gleich: Selbst im krisengeschüttelten Griechenland dürfen Personalausweis und Führerschein auf dem Smartphone gespeichert werden.

Immerhin will sich die Ampel am Ende dieser Legislaturperiode daran messen lassen, ob sie ihre Digitalziele erreicht hat. Schafft sie es nicht, können die Menschen an der Wahlurne darüber ihr Urteil fällen.

 

Quelle: Bruchsaler Rundschau vom 1. September 2022, Seite 2